Allein Verletzungen begründen noch keine grob fahrlässige Unkenntnis von ärztlichen Behandlungsfehlern
BGH 10.11.2009, VI ZR 247/08
Bei der Frage, ob grob fahrlässige Unkenntnis eines Patienten von den einen Schadensersatzanspruch wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers begründenden Umständen vorliegt, ist zugunsten des Patienten zu berücksichtigen, dass dieser nicht ohne Weiteres aus einer Verletzung auf einen schuldhaften Behandlungsfehler zu schließen braucht. Deshalb führt auch allein der negative Ausgang einer Behandlung nicht dazu, dass der Patient zur Vermeidung der Verjährung seiner Ansprüche Initiative zur Aufklärung des Behandlungsgeschehens entfalten müsste.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte in der Klinik der Beklagten zu 1) im Jahr 1998 ihr Kind zur Welt gebracht. Dabei kam es infolge des Einsatzes einer Geburtszange zu einem Dammriss sowie zu weiteren Verletzungen im Unterleib der Klägerin. Die aufgrund dessen erforderlichen Nähte setzte der Beklagte zu 2). Später machte die Klägerin geltend, durch fehlerhaftes ärztliches Vorgehen seien Vernarbungen eingetreten, die seit der Entbindung schmerzhaft seien und unter denen sie bis heute leide. Dass ihre Beschwerden auf eine fehlerhafte Behandlung zurückzuführen seien, habe sie erst durch den Hinweis einer Gynäkologin im Juni 2006 erfahren.
Die Klägerin begehrte von der Beklagten zu 1) als Klinikträgerin und dem Beklagten zu 2) als behandelndem Arzt Ersatz materiellen und immateriellen Schadens. Die Beklagten erhoben daraufhin die Einrede der Verjährung. LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Die Gründe:
Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen erlaubten nicht die Annahme, dass die geltend gemachten Ansprüche gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. mit Ablauf des Jahres 2004 verjährt seien, weil die Unkenntnis der Klägerin von den Anspruch begründenden Umständen auf grober Fahrlässigkeit beruhe. Vielmehr hatte die Verjährung deliktischer Ansprüche wegen fehlender Kenntnis der Klägerin i.S.v. § 852 BGB a.F. noch nicht begonnen.
Zu Unrecht hatte das OLG angenommen, dass grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin als subjektive Voraussetzung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor dem 1.1.2002 vorgelegen habe. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat. Dabei besteht für den Gläubiger keine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten. Daran hat sich auch durch die Neuregelung des Verjährungsrechts in § 199 BGB nichts geändert.
In Arzthaftungssachen ist bei der Prüfung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, außerdem zugunsten des Patienten zu berücksichtigen, dass dieser nicht ohne Weiteres aus einer Verletzungshandlung, die zu einem Schaden geführt hat, auf einen schuldhaften Behandlungs- oder Aufklärungsfehler zu schließen braucht. Deshalb führt allein der negative Ausgang einer Behandlung ohne weitere sich aufdrängende Anhaltspunkte für ein behandlungsfehlerhaftes Geschehen nicht dazu, dass der Patient zur Vermeidung der Verjährung seiner Ansprüche Initiative zur Aufklärung des Behandlungsgeschehens entfalten müsste.
Im vorliegenden Fall musste sich der Klägerin ein behandlungsfehlerhaftes Verhalten der Beklagten nach den Umständen des Falles bis zu dem Gespräch mit der Gynäkologin im Jahr 2006 nicht aufdrängen. Zwar litt die Klägerin nach eigenen Angaben seit der Entbindung unter erheblichen Beschwerden, deren operative Heilung von ihr mit Ärzten besprochen worden war. Eine schmerzhafte Narbenbildung kann aber ebenso wie ein bei der Entbindung eingetretener Dammriss schicksalhaft sein.
Bei der Frage, ob grob fahrlässige Unkenntnis eines Patienten von den einen Schadensersatzanspruch wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers begründenden Umständen vorliegt, ist zugunsten des Patienten zu berücksichtigen, dass dieser nicht ohne Weiteres aus einer Verletzung auf einen schuldhaften Behandlungsfehler zu schließen braucht. Deshalb führt auch allein der negative Ausgang einer Behandlung nicht dazu, dass der Patient zur Vermeidung der Verjährung seiner Ansprüche Initiative zur Aufklärung des Behandlungsgeschehens entfalten müsste.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte in der Klinik der Beklagten zu 1) im Jahr 1998 ihr Kind zur Welt gebracht. Dabei kam es infolge des Einsatzes einer Geburtszange zu einem Dammriss sowie zu weiteren Verletzungen im Unterleib der Klägerin. Die aufgrund dessen erforderlichen Nähte setzte der Beklagte zu 2). Später machte die Klägerin geltend, durch fehlerhaftes ärztliches Vorgehen seien Vernarbungen eingetreten, die seit der Entbindung schmerzhaft seien und unter denen sie bis heute leide. Dass ihre Beschwerden auf eine fehlerhafte Behandlung zurückzuführen seien, habe sie erst durch den Hinweis einer Gynäkologin im Juni 2006 erfahren.
Die Klägerin begehrte von der Beklagten zu 1) als Klinikträgerin und dem Beklagten zu 2) als behandelndem Arzt Ersatz materiellen und immateriellen Schadens. Die Beklagten erhoben daraufhin die Einrede der Verjährung. LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Die Gründe:
Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen erlaubten nicht die Annahme, dass die geltend gemachten Ansprüche gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. mit Ablauf des Jahres 2004 verjährt seien, weil die Unkenntnis der Klägerin von den Anspruch begründenden Umständen auf grober Fahrlässigkeit beruhe. Vielmehr hatte die Verjährung deliktischer Ansprüche wegen fehlender Kenntnis der Klägerin i.S.v. § 852 BGB a.F. noch nicht begonnen.
Zu Unrecht hatte das OLG angenommen, dass grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin als subjektive Voraussetzung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor dem 1.1.2002 vorgelegen habe. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat. Dabei besteht für den Gläubiger keine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten. Daran hat sich auch durch die Neuregelung des Verjährungsrechts in § 199 BGB nichts geändert.
In Arzthaftungssachen ist bei der Prüfung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, außerdem zugunsten des Patienten zu berücksichtigen, dass dieser nicht ohne Weiteres aus einer Verletzungshandlung, die zu einem Schaden geführt hat, auf einen schuldhaften Behandlungs- oder Aufklärungsfehler zu schließen braucht. Deshalb führt allein der negative Ausgang einer Behandlung ohne weitere sich aufdrängende Anhaltspunkte für ein behandlungsfehlerhaftes Geschehen nicht dazu, dass der Patient zur Vermeidung der Verjährung seiner Ansprüche Initiative zur Aufklärung des Behandlungsgeschehens entfalten müsste.
Im vorliegenden Fall musste sich der Klägerin ein behandlungsfehlerhaftes Verhalten der Beklagten nach den Umständen des Falles bis zu dem Gespräch mit der Gynäkologin im Jahr 2006 nicht aufdrängen. Zwar litt die Klägerin nach eigenen Angaben seit der Entbindung unter erheblichen Beschwerden, deren operative Heilung von ihr mit Ärzten besprochen worden war. Eine schmerzhafte Narbenbildung kann aber ebenso wie ein bei der Entbindung eingetretener Dammriss schicksalhaft sein.
Tags: ärztefehler, behandlungsfehler, haftung, medizin
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Autor: Zungenkoeder
Oberthema: Jura
Thema: Zivilrecht
Veröffentlicht: 19.03.2010
Tags: Zivilrecht, Zivilrechturteile
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