Verursacher eines Verkehrsunfalls müssen bei Verweis auf günstigere Reparaturmöglichkeiten in freien Werkstätten deren Gleichwertigkeit beweisen
BGH 20.10.2009, VI ZR 53/09
Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls darf seiner Schadensberechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen. Will der Schädiger den Geschädigten auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer freien Fachwerkstatt verweisen, muss er darlegen und ggf. beweisen, dass eine dortige Reparatur vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. In bestimmten Fällen kann die Reparatur in einer freien Werkstatt dennoch unzumutbar sein.
Der Sachverhalt:
Der Kläger macht gegen den Beklagten restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend. Dabei wurde das Fahrzeug des Klägers, ein zum Unfallzeitpunkt etwa neuneinhalb Jahre alter VW Golf mit einer Laufleistung von über 190.000 km, beschädigt.
Die Haftung des Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit. Die Parteien streiten nur noch um die Frage, ob sich der Kläger im Rahmen der fiktiven Abrechnung seines Fahrzeugschadens auf niedrigere Stundenverrechnungssätze einer ihm vom Beklagten oder von dessen Haftpflichtversicherer benannten freien Karosseriefachwerkstatt verweisen lassen muss, oder ob er auf der Grundlage des von ihm vorgelegten Sachverständigengutachtens die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen VW-Fachwerkstatt erstattet verlangen kann.
Auf die Revision des Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Die Gründe:
Der BGH hat an seiner bereits im sog. Porsche-Urteil (BGHZ 155, 1) geäußerten Rechtsauffassung festgehalten, dass der Geschädigte seiner Schadensberechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen darf, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.
Will der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht i.S.d. § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos zugänglichen freien Fachwerkstatt verweisen, muss der Schädiger darlegen und ggf. beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Dennoch kann es für den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht unzumutbar sein, auf eine Reparaturmöglichkeit in dieser Werkstatt festgelegt zu sein.
Dies gilt insbes. für Fahrzeuge bis zum Alter von drei Jahren. Denn bei neuen bzw. neuwertigen Kfz muss sich der Geschädigte im Rahmen der Schadensabrechnung grundsätzlich nicht auf andere Reparaturmöglichkeiten verweisen lassen, die ihm bei einer späteren Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, einer Herstellergarantie oder Kulanzleistungen Schwierigkeiten bereiten könnten. Aber auch bei älteren Fahrzeugen kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich im Rahmen der Schadensabrechnung auf eine alternative Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Geschädigte konkret darlegt, dass er sein Kfz bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen oder sein besonderes Interesse an einer solchen Reparatur durch eine konkrete Reparaturrechnung belegt.
Im Streitfall war das Urteil des Berufungsgerichts bereits deshalb aufzuheben und an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil dieses zur Gleichwertigkeit der aufgezeigten alternativen Reparaturmöglichkeit noch keine Feststellungen getroffen hatte.
Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls darf seiner Schadensberechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen. Will der Schädiger den Geschädigten auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer freien Fachwerkstatt verweisen, muss er darlegen und ggf. beweisen, dass eine dortige Reparatur vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. In bestimmten Fällen kann die Reparatur in einer freien Werkstatt dennoch unzumutbar sein.
Der Sachverhalt:
Der Kläger macht gegen den Beklagten restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend. Dabei wurde das Fahrzeug des Klägers, ein zum Unfallzeitpunkt etwa neuneinhalb Jahre alter VW Golf mit einer Laufleistung von über 190.000 km, beschädigt.
Die Haftung des Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit. Die Parteien streiten nur noch um die Frage, ob sich der Kläger im Rahmen der fiktiven Abrechnung seines Fahrzeugschadens auf niedrigere Stundenverrechnungssätze einer ihm vom Beklagten oder von dessen Haftpflichtversicherer benannten freien Karosseriefachwerkstatt verweisen lassen muss, oder ob er auf der Grundlage des von ihm vorgelegten Sachverständigengutachtens die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen VW-Fachwerkstatt erstattet verlangen kann.
Auf die Revision des Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Die Gründe:
Der BGH hat an seiner bereits im sog. Porsche-Urteil (BGHZ 155, 1) geäußerten Rechtsauffassung festgehalten, dass der Geschädigte seiner Schadensberechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen darf, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.
Will der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht i.S.d. § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos zugänglichen freien Fachwerkstatt verweisen, muss der Schädiger darlegen und ggf. beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Dennoch kann es für den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht unzumutbar sein, auf eine Reparaturmöglichkeit in dieser Werkstatt festgelegt zu sein.
Dies gilt insbes. für Fahrzeuge bis zum Alter von drei Jahren. Denn bei neuen bzw. neuwertigen Kfz muss sich der Geschädigte im Rahmen der Schadensabrechnung grundsätzlich nicht auf andere Reparaturmöglichkeiten verweisen lassen, die ihm bei einer späteren Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, einer Herstellergarantie oder Kulanzleistungen Schwierigkeiten bereiten könnten. Aber auch bei älteren Fahrzeugen kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich im Rahmen der Schadensabrechnung auf eine alternative Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Geschädigte konkret darlegt, dass er sein Kfz bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen oder sein besonderes Interesse an einer solchen Reparatur durch eine konkrete Reparaturrechnung belegt.
Im Streitfall war das Urteil des Berufungsgerichts bereits deshalb aufzuheben und an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil dieses zur Gleichwertigkeit der aufgezeigten alternativen Reparaturmöglichkeit noch keine Feststellungen getroffen hatte.
Tags: reparatur, unfall, verkehrsunfall, werkstatt
Source: http://www.otto-schmidt.de/zivilrecht_zivilverfahrensrecht/news_12738.html
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Die unwirksame Zustellung des Mahnbescheids hindert nach einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs den Eintritt der Verjährungshemmung nicht, wenn
■der Anspruchsinhaber für die wirksame Zustellung alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat,
■der Anspruchsgegner in unverjährter Zeit von dem Erlass des Mahnbescheids und seinem Inhalt Kenntnis erlangt hat und
■die Wirksamkeit der Zustellung ebenfalls in unverjährter Zeit in einem Rechtsstreit geprüft wird.
In § 204 Abs. 1 BGB sind diejenigen Möglichkeiten der Rechtsverfolgung aufgeführt, die der Anspruchsinhaber ergreifen muss, um den Eintritt der Verjährung des Anspruchs durch ihre Hemmung zu verhindern. Sie sind, soweit hier von Interesse, auf die Einleitung eines förmlichen gerichtlichen Verfahrens mit dem Ziel der Anspruchsdurchsetzung gerichtet. Allerdings tritt die Verjährungshemmung nicht schon mit dem Tätigwerden des Anspruchsinhabers, sondern erst dann ein, wenn der Anspruchsgegner davon durch die Zustellung der Klage (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) bzw. des Mahnbescheids (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB), eines sonstigen verfahrenseinleitenden Antrags (§ 204 Abs. 1 Nr. 2, 7 und 9 BGB) oder durch die Veranlassung der Bekanntgabe des bei der zuständigen Stelle eingereichten Güteantrags (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB) oder des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (§ 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB) Kenntnis erlangt.
Ob das Berufungsgericht, wie die Revision unter Berufung auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 20011, auf die Regelung in § 167 ZPO und auf die Vorschrift des § 206 BGB meint, zu Unrecht angenommen hat, dass der von der Klägerin am 10. April 2006 beantragte Mahnbescheid der Beklagten nicht wirksam zugestellt worden ist, kann offenbleiben. Denn es hat dem Umstand, dass die Rechtzeitigkeit des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid und damit auch die Wirksamkeit der Zustellung in dem ersten erstinstanzlichen Verfahren vor dem Ablauf der Verjährungsfrist geprüft worden ist, nicht die zutreffende rechtliche Bedeutung beigemessen und deshalb fehlerhaft die Verjährungshemmung wegen unwirksamer Zustellung des Mahnbescheids verneint.
Zwar setzt der Eintritt der Verjährungshemmung, wenn sich der Anspruchsinhaber – wie hier – für die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs im Wege des Mahnverfahrens (§§ 688 ff. ZPO) entscheidet, nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB die wirksame Zustellung des Mahnbescheids an den Anspruchsgegner innerhalb der Verjährungsfrist voraus. Ausnahmen hiervon ergeben sich aus dem Prozessrecht. Nach § 167 ZPO tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit dem Eingang des Antrags auf Erlass des Mahnbescheids bei dem zuständigen Amtsgericht (§ 689 ZPO) ein, wenn die Zustellung des Mahnbescheids demnächst erfolgt. Nach § 189 ZPO gilt der Mahnbescheid, dessen formgerechte Zustellung nicht nachzuweisen ist oder der unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, in dem Zeitpunkt als zugestellt, in welchem er dem Zustellungsadressaten tatsächlich zugegangen ist.
Aber das bedeutet nicht, die Hemmung der Verjährung im Fall der unwirksamen Zustellung ausnahmslos nicht eintreten zu lassen. Entscheidend ist vielmehr, ob im Einzelfall Sinn und Zweck der Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gewahrt sind. Sie bestehen zum einen darin, sicherzustellen, dass ein Anspruch nicht verjährt, wenn der Anspruchsinhaber angemessene und unmissverständliche Schritte zur Durchsetzung des Anspruchs ergriffen2, hier also den Erlass des Mahnbescheids beantragt hat. Zum anderen soll der Anspruchsgegner soweit wie möglich davor gewarnt werden, dass von ihm in unverjährter Frist die Erfüllung eines Anspruchs verlangt wird3. Beides wird nicht nur durch die wirksame Zustellung des Mahnbescheids, sondern auch dadurch erreicht, dass der Anspruchsinhaber für die wirksame Zustellung alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat, der Anspruchsgegner trotz unwirksamer Zustellung in unverjährter Zeit von dem Erlass des Mahnbescheids und seinem Inhalt Kenntnis erlangt und die Wirksamkeit der Zustellung ebenfalls in unverjährter Zeit in einem Rechtsstreit geprüft wird. In einem solchen Fall befinden sich beide Parteien im Hinblick auf den Eintritt der Verjährungshemmung in derselben Lage, in der sie sich bei einer wirksamen Zustellung befänden. Gleichwohl die nochmalige Zustellung des Mahnbescheids zu verlangen, bedeutet ein unnötiges Beharren auf der Einhaltung einer Förmlichkeit, die nicht einmal das Gesetz für den Eintritt der Verjährungshemmung in jedem Fall verlangt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Februar 2010 – V ZR 98/09
■der Anspruchsgegner in unverjährter Zeit von dem Erlass des Mahnbescheids und seinem Inhalt Kenntnis erlangt hat und
■die Wirksamkeit der Zustellung ebenfalls in unverjährter Zeit in einem Rechtsstreit geprüft wird.
In § 204 Abs. 1 BGB sind diejenigen Möglichkeiten der Rechtsverfolgung aufgeführt, die der Anspruchsinhaber ergreifen muss, um den Eintritt der Verjährung des Anspruchs durch ihre Hemmung zu verhindern. Sie sind, soweit hier von Interesse, auf die Einleitung eines förmlichen gerichtlichen Verfahrens mit dem Ziel der Anspruchsdurchsetzung gerichtet. Allerdings tritt die Verjährungshemmung nicht schon mit dem Tätigwerden des Anspruchsinhabers, sondern erst dann ein, wenn der Anspruchsgegner davon durch die Zustellung der Klage (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) bzw. des Mahnbescheids (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB), eines sonstigen verfahrenseinleitenden Antrags (§ 204 Abs. 1 Nr. 2, 7 und 9 BGB) oder durch die Veranlassung der Bekanntgabe des bei der zuständigen Stelle eingereichten Güteantrags (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB) oder des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (§ 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB) Kenntnis erlangt.
Ob das Berufungsgericht, wie die Revision unter Berufung auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 20011, auf die Regelung in § 167 ZPO und auf die Vorschrift des § 206 BGB meint, zu Unrecht angenommen hat, dass der von der Klägerin am 10. April 2006 beantragte Mahnbescheid der Beklagten nicht wirksam zugestellt worden ist, kann offenbleiben. Denn es hat dem Umstand, dass die Rechtzeitigkeit des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid und damit auch die Wirksamkeit der Zustellung in dem ersten erstinstanzlichen Verfahren vor dem Ablauf der Verjährungsfrist geprüft worden ist, nicht die zutreffende rechtliche Bedeutung beigemessen und deshalb fehlerhaft die Verjährungshemmung wegen unwirksamer Zustellung des Mahnbescheids verneint.
Zwar setzt der Eintritt der Verjährungshemmung, wenn sich der Anspruchsinhaber – wie hier – für die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs im Wege des Mahnverfahrens (§§ 688 ff. ZPO) entscheidet, nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB die wirksame Zustellung des Mahnbescheids an den Anspruchsgegner innerhalb der Verjährungsfrist voraus. Ausnahmen hiervon ergeben sich aus dem Prozessrecht. Nach § 167 ZPO tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit dem Eingang des Antrags auf Erlass des Mahnbescheids bei dem zuständigen Amtsgericht (§ 689 ZPO) ein, wenn die Zustellung des Mahnbescheids demnächst erfolgt. Nach § 189 ZPO gilt der Mahnbescheid, dessen formgerechte Zustellung nicht nachzuweisen ist oder der unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, in dem Zeitpunkt als zugestellt, in welchem er dem Zustellungsadressaten tatsächlich zugegangen ist.
Aber das bedeutet nicht, die Hemmung der Verjährung im Fall der unwirksamen Zustellung ausnahmslos nicht eintreten zu lassen. Entscheidend ist vielmehr, ob im Einzelfall Sinn und Zweck der Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gewahrt sind. Sie bestehen zum einen darin, sicherzustellen, dass ein Anspruch nicht verjährt, wenn der Anspruchsinhaber angemessene und unmissverständliche Schritte zur Durchsetzung des Anspruchs ergriffen2, hier also den Erlass des Mahnbescheids beantragt hat. Zum anderen soll der Anspruchsgegner soweit wie möglich davor gewarnt werden, dass von ihm in unverjährter Frist die Erfüllung eines Anspruchs verlangt wird3. Beides wird nicht nur durch die wirksame Zustellung des Mahnbescheids, sondern auch dadurch erreicht, dass der Anspruchsinhaber für die wirksame Zustellung alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat, der Anspruchsgegner trotz unwirksamer Zustellung in unverjährter Zeit von dem Erlass des Mahnbescheids und seinem Inhalt Kenntnis erlangt und die Wirksamkeit der Zustellung ebenfalls in unverjährter Zeit in einem Rechtsstreit geprüft wird. In einem solchen Fall befinden sich beide Parteien im Hinblick auf den Eintritt der Verjährungshemmung in derselben Lage, in der sie sich bei einer wirksamen Zustellung befänden. Gleichwohl die nochmalige Zustellung des Mahnbescheids zu verlangen, bedeutet ein unnötiges Beharren auf der Einhaltung einer Förmlichkeit, die nicht einmal das Gesetz für den Eintritt der Verjährungshemmung in jedem Fall verlangt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Februar 2010 – V ZR 98/09
Tags: hemmung, mahnbescheid, verjährung, zustellung
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Gläubiger kann den Gesamtschuldner frei wählen
Gemäß § 421 Satz 1 BGB kann der Gläubiger frei wählen, welchen der Gesamtschuldner er in Anspruch nehmen will, soweit sich sein Vorgehen nicht als rechtsmissbräuchlich erweist. Dabei ist er, wie der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil betont, grundsätzlich dem von ihm in Anspruch genommenen Gesamtschuldner gegenüber nicht verpflichtet, auf ausbleibende Zahlungen des anderen Gesamtschuldners hinzuweisen.
Freie Wahl zwischen den Gesamtschuldnern
Grundsätzlich kann der Gläubiger gemäß § 421 Satz 1 BGB frei wählen, welchen Gesamtschuldner er in Anspruch nehmen will. Der in Anspruch genommene Gesamtschuldner hat dies hinzunehmen.
Nach den für die Gesamtschuld geltenden Grundsätzen trägt der Gesamtschuldner im Außenverhältnis zum Gläubiger das Risiko dafür, dass der andere Gesamtschuldner die ihm nach dem Innenverhältnis obliegenden Leistungen nicht (vollständig) erbringt. Dies ergibt sich zum einen aus § 421 Satz 1 BGB und zum anderen aus § 426 BGB. Während der Gläubiger gemäß § 421 Satz 1 BGB die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern kann, sind die Gesamtschuldner gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB im Verhältnis zueinander grundsätzlich zu gleichen Anteilen verpflichtet. Das heißt, dass sich der zahlende Gesamtschuldner bei dem anderen Gesamtschuldner, mit dem er gleichsam im selben Lager steht, schadlos halten muss. Deshalb ist der Gläubiger grundsätzlich dem von ihm in Anspruch genommenen Gesamtschuldner gegenüber auch nicht verpflichtet, auf ausbleibende Zahlungen des anderen Gesamtschuldners aufmerksam zu machen. Insofern obliegt es, so der BGH, dem Gesamtschuldner, sich bei dem anderen Gesamtschuldner danach zu erkundigen, ob er seiner Zahlungspflicht nachkomme.
Das Gesetz weist ihm mit § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen den anderen Gesamtschuldner einen selbständigen Ausgleichsanspruch zu, der nicht etwa erst mit der Befriedigung des Gläubigers, sondern schon mit der Entstehung des Gesamtschuldverhältnisses entsteht1. Ist die Schuld fällig, kann der mithaftende Gesamtschuldner schon vor Erbringung seiner eigenen Leistung von seinen Mitschuldnern verlangen, ihren Anteilen entsprechend an der Befriedigung des Gläubigers mitzuwirken und ihn von einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger freizustellen2. Demgegenüber braucht der Gläubiger im Allgemeinen keine Rücksicht darauf zu nehmen, welcher Gesamtschuldner im Innenverhältnis ausgleichspflichtig ist3. In der Regel ist einem Gesamtschuldner auch der Einwand versagt, der Gläubiger hätte sich durch rechtzeitigen Zugriff bei dem im Innenverhältnis verpflichteten Gesamtschuldner befriedigen können und müssen4. Wenn der Gläubiger gemäß § 421 BGB das Recht hat, einen Gesamtschuldner in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen und ihn dadurch mit dem Regressrisiko zu belasten, so kann allein das billigende Bewusstsein, dass dadurch diesen Schuldner ein endgültiger Vermögensverlust treffen kann, für einen Schadensersatzanspruch nicht ausreichen5.
Grenze: Rechtsmissbrauch
Allerdings sind der Wahlfreiheit des Gläubigers nach dem Grundsatz von Treu und Glauben Grenzen gesetzt, nämlich dann, wenn sich das Vorgehen des Gläubigers gegen einen bestimmten Gesamtschuldner als rechtsmissbräuchlich darstellt6. Ob dies der Fall ist, ist am Maßstab der §§ 421 ff. BGB festzustellen. Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf die Art des der Gesamtschuld zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses an. Rechtsmissbräuchlich erscheint die Inanspruchnahme des – im Innenverhältnis nicht verpflichteten – Gesamtschuldners gemäß § 421 Satz 1 BGB, wenn der Gläubiger durch sein Verhalten für jenen ein besonderes Risiko begründet hat. Dies ist etwa der Fall, wenn er eine dingliche Sicherheit aufgibt, die von einem Gesamtschuldner bestellt worden ist und im Falle der Befriedigung des Gläubigers durch einen – im Innenverhältnis ausgleichsberechtigten – anderen Gesamtschuldner gemäß § 426 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §§ 412, 401 Abs. 1 BGB auf diesen übergegangen wäre7. Ein Missbrauch kann auch vorliegen, wenn sich der Gläubiger deswegen nur an einen von mehreren Gesamtschuldnern hält, weil er aus missbilligenswerten Motiven die Absicht hat, gerade diesem Schuldner Schaden zuzufügen8.
Eine Warn- bzw. Hinweispflicht des Gläubigers hinsichtlich ausbleibender Zahlungen des anderen Gesamtschuldners, deren Verletzung den Einwand nach § 242 BGB eröffnen könnte, wäre nach diesen Grundsätzen allenfalls dann begründet, wenn der Gläubiger dem von ihm in Anspruch genommenen Gesamtschuldner in treuwidriger Weise den – unzutreffenden – Eindruck vermittelt hätte, der andere Gesamtschuldner habe regelmäßig gezahlt, und ihn so davon abgehalten hätte, die erforderlichen Erkundigungen einzuholen, um den anderen Schuldner gegebenenfalls noch rechtzeitig in Anspruch nehmen zu können.
Ähnliche Grundsätze wie im Recht der Gesamtschuld gelten im Sicherungsrecht, namentlich im Bürgschaftsrecht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Gläubiger grundsätzlich nicht verpflichtet, den künftigen Bürgen ungefragt über den Umfang seines Risikos oder die Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners zu unterrichten9. Weil das Risiko, aus einer Bürgschaft ohne Gegenleistung des Gläubigers in Anspruch genommen zu werden, allgemein bekannt und zudem durch die Schriftform offen gelegt ist, kann der Gläubiger davon ausgehen, dass der Bürge sich über die Wahrscheinlichkeit, in Anspruch genommen zu werden, ausreichend informiert hat10.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur für den Fall anerkannt, dass der Gläubiger durch sein Verhalten erkennbar einen Irrtum des Bürgen über dessen erhöhtes Risiko veranlasst hatte11.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2009 – XII ZR 146/07
Freie Wahl zwischen den Gesamtschuldnern
Grundsätzlich kann der Gläubiger gemäß § 421 Satz 1 BGB frei wählen, welchen Gesamtschuldner er in Anspruch nehmen will. Der in Anspruch genommene Gesamtschuldner hat dies hinzunehmen.
Nach den für die Gesamtschuld geltenden Grundsätzen trägt der Gesamtschuldner im Außenverhältnis zum Gläubiger das Risiko dafür, dass der andere Gesamtschuldner die ihm nach dem Innenverhältnis obliegenden Leistungen nicht (vollständig) erbringt. Dies ergibt sich zum einen aus § 421 Satz 1 BGB und zum anderen aus § 426 BGB. Während der Gläubiger gemäß § 421 Satz 1 BGB die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern kann, sind die Gesamtschuldner gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB im Verhältnis zueinander grundsätzlich zu gleichen Anteilen verpflichtet. Das heißt, dass sich der zahlende Gesamtschuldner bei dem anderen Gesamtschuldner, mit dem er gleichsam im selben Lager steht, schadlos halten muss. Deshalb ist der Gläubiger grundsätzlich dem von ihm in Anspruch genommenen Gesamtschuldner gegenüber auch nicht verpflichtet, auf ausbleibende Zahlungen des anderen Gesamtschuldners aufmerksam zu machen. Insofern obliegt es, so der BGH, dem Gesamtschuldner, sich bei dem anderen Gesamtschuldner danach zu erkundigen, ob er seiner Zahlungspflicht nachkomme.
Das Gesetz weist ihm mit § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen den anderen Gesamtschuldner einen selbständigen Ausgleichsanspruch zu, der nicht etwa erst mit der Befriedigung des Gläubigers, sondern schon mit der Entstehung des Gesamtschuldverhältnisses entsteht1. Ist die Schuld fällig, kann der mithaftende Gesamtschuldner schon vor Erbringung seiner eigenen Leistung von seinen Mitschuldnern verlangen, ihren Anteilen entsprechend an der Befriedigung des Gläubigers mitzuwirken und ihn von einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger freizustellen2. Demgegenüber braucht der Gläubiger im Allgemeinen keine Rücksicht darauf zu nehmen, welcher Gesamtschuldner im Innenverhältnis ausgleichspflichtig ist3. In der Regel ist einem Gesamtschuldner auch der Einwand versagt, der Gläubiger hätte sich durch rechtzeitigen Zugriff bei dem im Innenverhältnis verpflichteten Gesamtschuldner befriedigen können und müssen4. Wenn der Gläubiger gemäß § 421 BGB das Recht hat, einen Gesamtschuldner in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen und ihn dadurch mit dem Regressrisiko zu belasten, so kann allein das billigende Bewusstsein, dass dadurch diesen Schuldner ein endgültiger Vermögensverlust treffen kann, für einen Schadensersatzanspruch nicht ausreichen5.
Grenze: Rechtsmissbrauch
Allerdings sind der Wahlfreiheit des Gläubigers nach dem Grundsatz von Treu und Glauben Grenzen gesetzt, nämlich dann, wenn sich das Vorgehen des Gläubigers gegen einen bestimmten Gesamtschuldner als rechtsmissbräuchlich darstellt6. Ob dies der Fall ist, ist am Maßstab der §§ 421 ff. BGB festzustellen. Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf die Art des der Gesamtschuld zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses an. Rechtsmissbräuchlich erscheint die Inanspruchnahme des – im Innenverhältnis nicht verpflichteten – Gesamtschuldners gemäß § 421 Satz 1 BGB, wenn der Gläubiger durch sein Verhalten für jenen ein besonderes Risiko begründet hat. Dies ist etwa der Fall, wenn er eine dingliche Sicherheit aufgibt, die von einem Gesamtschuldner bestellt worden ist und im Falle der Befriedigung des Gläubigers durch einen – im Innenverhältnis ausgleichsberechtigten – anderen Gesamtschuldner gemäß § 426 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §§ 412, 401 Abs. 1 BGB auf diesen übergegangen wäre7. Ein Missbrauch kann auch vorliegen, wenn sich der Gläubiger deswegen nur an einen von mehreren Gesamtschuldnern hält, weil er aus missbilligenswerten Motiven die Absicht hat, gerade diesem Schuldner Schaden zuzufügen8.
Eine Warn- bzw. Hinweispflicht des Gläubigers hinsichtlich ausbleibender Zahlungen des anderen Gesamtschuldners, deren Verletzung den Einwand nach § 242 BGB eröffnen könnte, wäre nach diesen Grundsätzen allenfalls dann begründet, wenn der Gläubiger dem von ihm in Anspruch genommenen Gesamtschuldner in treuwidriger Weise den – unzutreffenden – Eindruck vermittelt hätte, der andere Gesamtschuldner habe regelmäßig gezahlt, und ihn so davon abgehalten hätte, die erforderlichen Erkundigungen einzuholen, um den anderen Schuldner gegebenenfalls noch rechtzeitig in Anspruch nehmen zu können.
Ähnliche Grundsätze wie im Recht der Gesamtschuld gelten im Sicherungsrecht, namentlich im Bürgschaftsrecht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Gläubiger grundsätzlich nicht verpflichtet, den künftigen Bürgen ungefragt über den Umfang seines Risikos oder die Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners zu unterrichten9. Weil das Risiko, aus einer Bürgschaft ohne Gegenleistung des Gläubigers in Anspruch genommen zu werden, allgemein bekannt und zudem durch die Schriftform offen gelegt ist, kann der Gläubiger davon ausgehen, dass der Bürge sich über die Wahrscheinlichkeit, in Anspruch genommen zu werden, ausreichend informiert hat10.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur für den Fall anerkannt, dass der Gläubiger durch sein Verhalten erkennbar einen Irrtum des Bürgen über dessen erhöhtes Risiko veranlasst hatte11.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2009 – XII ZR 146/07
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Widerruf einer Vollmacht durch Vertreter ohne Vertretungsmacht hat Kostenfolgen
Der Widerruf einer Vollmacht durch den Kontrollbevollmächtigten kommt nicht in Betracht, wenn der Vollmachtgeber bei Einrichtung der Kontrollbevollmächtigung geschäftsunfähig ist. Die Kosten eines Rechtsstreits auf Herausgabe der Vollmacht trägt der vollmachtlos handelnde Vertreter (LG Heilbronn 26.6.09, 8 O 282/08, Abruf-Nr. 094177)
Sachverhalt
Der Kläger ist der Vater des Beklagten und bei diesem zur Pflege und Betreuung untergebracht. Bereits 2003 hat der Kläger dem Beklagten eine General- und Vorsorgevollmacht eingeräumt. Im August 2007 hat der Kläger seinem Prozessbevollmächtigten K eine Kontrollbevollmächtigung erteilt, die u.a. zum Widerruf der General- und Vorsorgevollmacht von 2003 ermächtigt. Mit Schreiben vom 15.8.08 in seiner Funktion als Kontrollbevollmächtigter und 21.8.08 im Namen des Klägers hat der K die General- und Vorsorgevollmacht widerrufen. Der Beklagte hält den Widerruf der Vollmacht für unwirksam.
Mit der Klage verfolgt der K als gleichzeitig Prozessbevollmächtigter und Vertreter des Klägers den Anspruch auf Herausgabe der dem Beklagten erteilten Ausfertigungen der General- und Vorsorgevollmacht von 2003. Der Beklagte beantragt Klageabweisung, zumal der Kläger mindestens seit August 2007 geschäftsunfähig gewesen sei und damit weder eine wirksame Kontrollbevollmächtigung noch ein wirksames Mandat für die vorliegende Klage habe erteilen können.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist bereits unzulässig, da der Kläger nicht ordnungsgemäß durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 78 Abs. 1 ZPO), was der Beklagte auch ausdrücklich gerügt hat (§ 88 Abs. 1 ZPO). Der Kläger war im Zeitpunkt der Mandatserteilung (am 13.8.08) gemäß dem vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten geschäftsunfähig. Bereits seit 2006 ist beim Kläger ein demenzieller Abbauprozess zu verzeichnen, sodass auch für den Zeitpunkt der Errichtung der Kontrollbevollmächtigung (August 2007) bereits von einer Geschäftsunfähigkeit des Klägers auszugehen ist.
Die Klage ist auch unbegründet. Ein wirksamer Widerruf der General- und Vorsorgevollmacht kommt weder durch die Widerrufserklärung in der Funktion als Kontrollbevollmächtigter (Schreiben vom 15.8.08) noch durch die Erklärung im Namen des Klägers (Schreiben vom 21.8.08) in Betracht. Sowohl am 21.8.08 als auch im Zeitpunkt der Errichtung der Kontrollbevollmächtigung war eine Geschäftsfähigkeit des Klägers nicht gegeben, damit fehlt es an einer Anspruchsgrundlage für das Herausgabeverlangen des Klägers.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach dem Veranlasserprinzip der vollmachtlose Vertreter (nicht etwa der Kläger!). Der vollmachtlose Vertreter hat jedenfalls dann die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, wenn er den Mangel der Vollmacht kennt. Ist er dagegen gutgläubig in Besitz einer tatsächlich erteilten Vollmacht, handelt er nicht im Bewusstsein seiner fehlenden Legitimation (so BGH NJW 93, 1865).
Vorliegend war dem K bekannt bzw. hätte ihm auf Grund der bereits im Vorfeld auch anhand vorliegender Atteste diskutierten Demenzerkrankung des Klägers bekannt sein müssen, dass der Kläger eine wirksame Prozessvollmacht nicht mehr habe abgeben können. Eine Kostentragung durch den Kläger erscheint demgemäß als nicht gerechtfertigt.
Praxishinweis
Die Entscheidung erscheint in der Sache als zweifelsfrei richtig. Stellt sich per Sachverständigengutachten die Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers im Zeitpunkt der Errichtung der Kontrollbevollmächtigung heraus, kommt ein Widerruf der eigentlichen Vollmacht durch den Kontrollbevollmächtigten nicht in Betracht.
Als zumindest bedenklich erscheint die Kostenentscheidung. Ziel des Gerichtsverfahrens ist ja gerade die Klärung der Geschäftsfähigkeit. Zu diesem Zwecke wurde ja auch durch das Gericht ein Sachverständigengutachten eingeholt. Wäre die Geschäftsunfähigkeit so offensichtlich gewesen, wie das Gericht in seiner Kostenentscheidung feststellt, wäre auch die Einholung des Gutachtens überflüssig gewesen. Insbesondere zum Schutz eines Vollmachtgebers sollte das Kostenrisiko in Fällen wie dem vorliegenden nicht dem Kontrollbevollmächtigten auferlegt werden.
Sachverhalt
Der Kläger ist der Vater des Beklagten und bei diesem zur Pflege und Betreuung untergebracht. Bereits 2003 hat der Kläger dem Beklagten eine General- und Vorsorgevollmacht eingeräumt. Im August 2007 hat der Kläger seinem Prozessbevollmächtigten K eine Kontrollbevollmächtigung erteilt, die u.a. zum Widerruf der General- und Vorsorgevollmacht von 2003 ermächtigt. Mit Schreiben vom 15.8.08 in seiner Funktion als Kontrollbevollmächtigter und 21.8.08 im Namen des Klägers hat der K die General- und Vorsorgevollmacht widerrufen. Der Beklagte hält den Widerruf der Vollmacht für unwirksam.
Mit der Klage verfolgt der K als gleichzeitig Prozessbevollmächtigter und Vertreter des Klägers den Anspruch auf Herausgabe der dem Beklagten erteilten Ausfertigungen der General- und Vorsorgevollmacht von 2003. Der Beklagte beantragt Klageabweisung, zumal der Kläger mindestens seit August 2007 geschäftsunfähig gewesen sei und damit weder eine wirksame Kontrollbevollmächtigung noch ein wirksames Mandat für die vorliegende Klage habe erteilen können.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist bereits unzulässig, da der Kläger nicht ordnungsgemäß durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 78 Abs. 1 ZPO), was der Beklagte auch ausdrücklich gerügt hat (§ 88 Abs. 1 ZPO). Der Kläger war im Zeitpunkt der Mandatserteilung (am 13.8.08) gemäß dem vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten geschäftsunfähig. Bereits seit 2006 ist beim Kläger ein demenzieller Abbauprozess zu verzeichnen, sodass auch für den Zeitpunkt der Errichtung der Kontrollbevollmächtigung (August 2007) bereits von einer Geschäftsunfähigkeit des Klägers auszugehen ist.
Die Klage ist auch unbegründet. Ein wirksamer Widerruf der General- und Vorsorgevollmacht kommt weder durch die Widerrufserklärung in der Funktion als Kontrollbevollmächtigter (Schreiben vom 15.8.08) noch durch die Erklärung im Namen des Klägers (Schreiben vom 21.8.08) in Betracht. Sowohl am 21.8.08 als auch im Zeitpunkt der Errichtung der Kontrollbevollmächtigung war eine Geschäftsfähigkeit des Klägers nicht gegeben, damit fehlt es an einer Anspruchsgrundlage für das Herausgabeverlangen des Klägers.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach dem Veranlasserprinzip der vollmachtlose Vertreter (nicht etwa der Kläger!). Der vollmachtlose Vertreter hat jedenfalls dann die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, wenn er den Mangel der Vollmacht kennt. Ist er dagegen gutgläubig in Besitz einer tatsächlich erteilten Vollmacht, handelt er nicht im Bewusstsein seiner fehlenden Legitimation (so BGH NJW 93, 1865).
Vorliegend war dem K bekannt bzw. hätte ihm auf Grund der bereits im Vorfeld auch anhand vorliegender Atteste diskutierten Demenzerkrankung des Klägers bekannt sein müssen, dass der Kläger eine wirksame Prozessvollmacht nicht mehr habe abgeben können. Eine Kostentragung durch den Kläger erscheint demgemäß als nicht gerechtfertigt.
Praxishinweis
Die Entscheidung erscheint in der Sache als zweifelsfrei richtig. Stellt sich per Sachverständigengutachten die Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers im Zeitpunkt der Errichtung der Kontrollbevollmächtigung heraus, kommt ein Widerruf der eigentlichen Vollmacht durch den Kontrollbevollmächtigten nicht in Betracht.
Als zumindest bedenklich erscheint die Kostenentscheidung. Ziel des Gerichtsverfahrens ist ja gerade die Klärung der Geschäftsfähigkeit. Zu diesem Zwecke wurde ja auch durch das Gericht ein Sachverständigengutachten eingeholt. Wäre die Geschäftsunfähigkeit so offensichtlich gewesen, wie das Gericht in seiner Kostenentscheidung feststellt, wäre auch die Einholung des Gutachtens überflüssig gewesen. Insbesondere zum Schutz eines Vollmachtgebers sollte das Kostenrisiko in Fällen wie dem vorliegenden nicht dem Kontrollbevollmächtigten auferlegt werden.
Tags: vollmacht, widerruf
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Versäumter Massagetermin muss bezahlt werden
Der späteren Beklagten wurden von ihrem Arzt 10 Massagen verordnet. Deshalb ging sie zur Massagepraxis des späteren Klägers. 9 der 10 Massagen wurden auch durchgeführt. Der letzte Termin war für Ende Juli 2008 an einem Montag geplant, wurde aber von der Patientin nicht eingehalten. Anfang August 2008 stellte der Inhaber der Massagepraxis 10 Termine in Rechnung. Die Kundin zahlte allerdings nicht, sondern wollte eine Rechnung über 9 Behandlungen.
Als sie weiterhin nicht zahlte, erhob der Inhaber der Praxis Klage vor dem AG München. Schließlich habe die Kundin den Termin versäumt. Sie könne nichts dafür, wandte diese ein. Sie habe am Sonntag einen Migräneanfall gehabt, der strenge Bettruhe erforderte. Sie habe noch am gleichen Tag versucht, den Termin abzusagen. In der Praxis sei jedoch nur der Anrufbeantworter mit der Durchsage der Öffnungszeiten geschaltet gewesen. Als sie am Montagmorgen angerufen habe, sei ihr die Verlegung des Termins versagt worden. Außerdem habe sich der Masseur Aufwendungen erspart. Schließlich gäbe es in der Praxis immer auch andere Arbeiten, die er stattdessen hätte machen können.
Der zuständige Richter beim AG München gab dem Masseur jedoch Recht (Urteil vom 1.4.2009, Az: 163 C 33450/08). Vorliegend handele es sich um einen Dienstvertrag. Bei einem solchen Vertragsverhältnis schulde derjenige, der Dienste in Anspruch nehme auch die Annahme dieser Dienste. Versäume er dies, müsse er die vereinbarte Vergütung bezahlen. Auf Grund des fest vereinbarten Termins liege ein solcher Annahmeverzug vor. Die Vergütungspflicht entfalle nur, wenn es der Kundin tatsächlich unmöglich gewesen wäre, zu kommen. Dies müsste diese aber beweisen. Vorliegend sei ihr dies aber nicht gelungen. Ihr Wort allein gelte dafür nicht, ärztliche Bescheinigungen lägen nicht vor. Diese Rechtslage gelte auch für ärztliche Verordnungen. Wenn sie eine weitere Behandlung wünsche, müsse sie sich erneut verordnen lassen. Auch ein Abzug von den Behandlungskosten müsse nicht vorgenommen werden. Der bloße Hinweis auf vielleicht vorhandene andere Arbeiten reiche dafür nicht aus. Es hätte eine tatsächliche geldwerte Ersparnis auf Seiten des Klägers vorgetragen werden müssen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle: Amtsgericht München, Pressemitteilung vom 7. Dezember 2009
Als sie weiterhin nicht zahlte, erhob der Inhaber der Praxis Klage vor dem AG München. Schließlich habe die Kundin den Termin versäumt. Sie könne nichts dafür, wandte diese ein. Sie habe am Sonntag einen Migräneanfall gehabt, der strenge Bettruhe erforderte. Sie habe noch am gleichen Tag versucht, den Termin abzusagen. In der Praxis sei jedoch nur der Anrufbeantworter mit der Durchsage der Öffnungszeiten geschaltet gewesen. Als sie am Montagmorgen angerufen habe, sei ihr die Verlegung des Termins versagt worden. Außerdem habe sich der Masseur Aufwendungen erspart. Schließlich gäbe es in der Praxis immer auch andere Arbeiten, die er stattdessen hätte machen können.
Der zuständige Richter beim AG München gab dem Masseur jedoch Recht (Urteil vom 1.4.2009, Az: 163 C 33450/08). Vorliegend handele es sich um einen Dienstvertrag. Bei einem solchen Vertragsverhältnis schulde derjenige, der Dienste in Anspruch nehme auch die Annahme dieser Dienste. Versäume er dies, müsse er die vereinbarte Vergütung bezahlen. Auf Grund des fest vereinbarten Termins liege ein solcher Annahmeverzug vor. Die Vergütungspflicht entfalle nur, wenn es der Kundin tatsächlich unmöglich gewesen wäre, zu kommen. Dies müsste diese aber beweisen. Vorliegend sei ihr dies aber nicht gelungen. Ihr Wort allein gelte dafür nicht, ärztliche Bescheinigungen lägen nicht vor. Diese Rechtslage gelte auch für ärztliche Verordnungen. Wenn sie eine weitere Behandlung wünsche, müsse sie sich erneut verordnen lassen. Auch ein Abzug von den Behandlungskosten müsse nicht vorgenommen werden. Der bloße Hinweis auf vielleicht vorhandene andere Arbeiten reiche dafür nicht aus. Es hätte eine tatsächliche geldwerte Ersparnis auf Seiten des Klägers vorgetragen werden müssen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle: Amtsgericht München, Pressemitteilung vom 7. Dezember 2009
Tags: dienstvertrag, vergütungspflicht, versäumt
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Falschparker dürfen kostenpflichtig abgeschleppt werden
Viele Praxen halten für ihre Patienten Parkplätze bereit. Ärgerlich wird es, wenn diese Parkplätze unbefugt durch Fremdparker genutzt werden. Bislang war ungeklärt, ob in solchen Fällen ein Abschleppunternehmen beauftragt werden darf und ob das Fahrzeug nur gegen Zahlung der Abschleppkosten herausgegeben werden muss. Beides hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Entscheidung vom 5. Juni 2009 gebilligt (Az: V ZR 144/08, Abruf-Nr: 091970).
Der Fall: Der Kläger hatte seinen Pkw unbefugt auf einem Grundstück abgestellt, das als Parkplatz für ein Einkaufszentrum genutzt wird. Fremdparker wurden mit Schildern darauf hingewiesen, dass widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge kostenpflichtig entfernt werden. Der Grundstücksbesitzer hatte mit einem Abschleppunternehmer vertraglich vereinbart, dass dieser widerrechtlich abgestellte Pkw gegen Kosten in Höhe von 150 Euro zuzüglich 15 Euro „Inkassokosten“ entfernen sollte. Der Kläger wurde von dem Abschleppunternehmer abgeschleppt und löste sein Fahrzeug gegen Zahlung von 165 Euro aus. Er klagte bis vor dem BGH auf Erstattung dieser Kosten.
Das Urteil: Nach dem BGH beeinträchtigt das unbefugte Abstellen des Pkw den unmittelbaren Besitz an der Parkplatzfläche im Sinne einer „verbotenen Eigenmacht“. Zur Beseitigung dieser Beeinträchtigung habe der Berechtigte sofort das ihm gesetzlich zustehende Selbsthilferecht - hier durch Abschleppen - ausüben dürfen.
Zudem stellte der BGH klar, dass die Abschleppbefugnis selbst dann bestanden hätte, wenn weitere Parkplätze frei gewesen wären. Der Grundstücksbesitzer könne sich gegen die verbotene Eigenmacht des Fremdparkers wehren - und zwar unabhängig davon, welches räumliche Ausmaß sie habe. Der Falschparker sei daher zur Zahlung der Abschleppkosten - nicht jedoch der Inkassokosten - unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes verpflichtet gewesen.
Fazit und Praxishinweis: Das Urteil stärkt Ihre Rechte als Eigentümer oder Mieter von Patientenparkplätzen. Aus dem Urteil folgt jedoch nicht, dass unbefugte Benutzer jedwede Abschleppmaßnahme dulden und bezahlen müssen. Es kommt immer auf die genauen Umstände im Einzelfall an. Weisen Sie die Benutzer Ihrer Parkplätze jedoch deutlich sichtbar und allgemein verständlich darauf hin, dass die Benutzung durch Unbefugte untersagt ist und ein kostenpflichtiges Abschleppen zur Folge haben kann, haben Sie im Falle eines Falles gute Chancen, sich erfolgreich auf das BGH-Urteil zu berufen.
Der Fall: Der Kläger hatte seinen Pkw unbefugt auf einem Grundstück abgestellt, das als Parkplatz für ein Einkaufszentrum genutzt wird. Fremdparker wurden mit Schildern darauf hingewiesen, dass widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge kostenpflichtig entfernt werden. Der Grundstücksbesitzer hatte mit einem Abschleppunternehmer vertraglich vereinbart, dass dieser widerrechtlich abgestellte Pkw gegen Kosten in Höhe von 150 Euro zuzüglich 15 Euro „Inkassokosten“ entfernen sollte. Der Kläger wurde von dem Abschleppunternehmer abgeschleppt und löste sein Fahrzeug gegen Zahlung von 165 Euro aus. Er klagte bis vor dem BGH auf Erstattung dieser Kosten.
Das Urteil: Nach dem BGH beeinträchtigt das unbefugte Abstellen des Pkw den unmittelbaren Besitz an der Parkplatzfläche im Sinne einer „verbotenen Eigenmacht“. Zur Beseitigung dieser Beeinträchtigung habe der Berechtigte sofort das ihm gesetzlich zustehende Selbsthilferecht - hier durch Abschleppen - ausüben dürfen.
Zudem stellte der BGH klar, dass die Abschleppbefugnis selbst dann bestanden hätte, wenn weitere Parkplätze frei gewesen wären. Der Grundstücksbesitzer könne sich gegen die verbotene Eigenmacht des Fremdparkers wehren - und zwar unabhängig davon, welches räumliche Ausmaß sie habe. Der Falschparker sei daher zur Zahlung der Abschleppkosten - nicht jedoch der Inkassokosten - unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes verpflichtet gewesen.
Fazit und Praxishinweis: Das Urteil stärkt Ihre Rechte als Eigentümer oder Mieter von Patientenparkplätzen. Aus dem Urteil folgt jedoch nicht, dass unbefugte Benutzer jedwede Abschleppmaßnahme dulden und bezahlen müssen. Es kommt immer auf die genauen Umstände im Einzelfall an. Weisen Sie die Benutzer Ihrer Parkplätze jedoch deutlich sichtbar und allgemein verständlich darauf hin, dass die Benutzung durch Unbefugte untersagt ist und ein kostenpflichtiges Abschleppen zur Folge haben kann, haben Sie im Falle eines Falles gute Chancen, sich erfolgreich auf das BGH-Urteil zu berufen.
Tags: falschparker, kostenpflichtig
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Allein Verletzungen begründen noch keine grob fahrlässige Unkenntnis von ärztlichen Behandlungsfehlern
BGH 10.11.2009, VI ZR 247/08
Bei der Frage, ob grob fahrlässige Unkenntnis eines Patienten von den einen Schadensersatzanspruch wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers begründenden Umständen vorliegt, ist zugunsten des Patienten zu berücksichtigen, dass dieser nicht ohne Weiteres aus einer Verletzung auf einen schuldhaften Behandlungsfehler zu schließen braucht. Deshalb führt auch allein der negative Ausgang einer Behandlung nicht dazu, dass der Patient zur Vermeidung der Verjährung seiner Ansprüche Initiative zur Aufklärung des Behandlungsgeschehens entfalten müsste.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte in der Klinik der Beklagten zu 1) im Jahr 1998 ihr Kind zur Welt gebracht. Dabei kam es infolge des Einsatzes einer Geburtszange zu einem Dammriss sowie zu weiteren Verletzungen im Unterleib der Klägerin. Die aufgrund dessen erforderlichen Nähte setzte der Beklagte zu 2). Später machte die Klägerin geltend, durch fehlerhaftes ärztliches Vorgehen seien Vernarbungen eingetreten, die seit der Entbindung schmerzhaft seien und unter denen sie bis heute leide. Dass ihre Beschwerden auf eine fehlerhafte Behandlung zurückzuführen seien, habe sie erst durch den Hinweis einer Gynäkologin im Juni 2006 erfahren.
Die Klägerin begehrte von der Beklagten zu 1) als Klinikträgerin und dem Beklagten zu 2) als behandelndem Arzt Ersatz materiellen und immateriellen Schadens. Die Beklagten erhoben daraufhin die Einrede der Verjährung. LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Die Gründe:
Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen erlaubten nicht die Annahme, dass die geltend gemachten Ansprüche gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. mit Ablauf des Jahres 2004 verjährt seien, weil die Unkenntnis der Klägerin von den Anspruch begründenden Umständen auf grober Fahrlässigkeit beruhe. Vielmehr hatte die Verjährung deliktischer Ansprüche wegen fehlender Kenntnis der Klägerin i.S.v. § 852 BGB a.F. noch nicht begonnen.
Zu Unrecht hatte das OLG angenommen, dass grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin als subjektive Voraussetzung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor dem 1.1.2002 vorgelegen habe. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat. Dabei besteht für den Gläubiger keine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten. Daran hat sich auch durch die Neuregelung des Verjährungsrechts in § 199 BGB nichts geändert.
In Arzthaftungssachen ist bei der Prüfung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, außerdem zugunsten des Patienten zu berücksichtigen, dass dieser nicht ohne Weiteres aus einer Verletzungshandlung, die zu einem Schaden geführt hat, auf einen schuldhaften Behandlungs- oder Aufklärungsfehler zu schließen braucht. Deshalb führt allein der negative Ausgang einer Behandlung ohne weitere sich aufdrängende Anhaltspunkte für ein behandlungsfehlerhaftes Geschehen nicht dazu, dass der Patient zur Vermeidung der Verjährung seiner Ansprüche Initiative zur Aufklärung des Behandlungsgeschehens entfalten müsste.
Im vorliegenden Fall musste sich der Klägerin ein behandlungsfehlerhaftes Verhalten der Beklagten nach den Umständen des Falles bis zu dem Gespräch mit der Gynäkologin im Jahr 2006 nicht aufdrängen. Zwar litt die Klägerin nach eigenen Angaben seit der Entbindung unter erheblichen Beschwerden, deren operative Heilung von ihr mit Ärzten besprochen worden war. Eine schmerzhafte Narbenbildung kann aber ebenso wie ein bei der Entbindung eingetretener Dammriss schicksalhaft sein.
Bei der Frage, ob grob fahrlässige Unkenntnis eines Patienten von den einen Schadensersatzanspruch wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers begründenden Umständen vorliegt, ist zugunsten des Patienten zu berücksichtigen, dass dieser nicht ohne Weiteres aus einer Verletzung auf einen schuldhaften Behandlungsfehler zu schließen braucht. Deshalb führt auch allein der negative Ausgang einer Behandlung nicht dazu, dass der Patient zur Vermeidung der Verjährung seiner Ansprüche Initiative zur Aufklärung des Behandlungsgeschehens entfalten müsste.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte in der Klinik der Beklagten zu 1) im Jahr 1998 ihr Kind zur Welt gebracht. Dabei kam es infolge des Einsatzes einer Geburtszange zu einem Dammriss sowie zu weiteren Verletzungen im Unterleib der Klägerin. Die aufgrund dessen erforderlichen Nähte setzte der Beklagte zu 2). Später machte die Klägerin geltend, durch fehlerhaftes ärztliches Vorgehen seien Vernarbungen eingetreten, die seit der Entbindung schmerzhaft seien und unter denen sie bis heute leide. Dass ihre Beschwerden auf eine fehlerhafte Behandlung zurückzuführen seien, habe sie erst durch den Hinweis einer Gynäkologin im Juni 2006 erfahren.
Die Klägerin begehrte von der Beklagten zu 1) als Klinikträgerin und dem Beklagten zu 2) als behandelndem Arzt Ersatz materiellen und immateriellen Schadens. Die Beklagten erhoben daraufhin die Einrede der Verjährung. LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Die Gründe:
Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen erlaubten nicht die Annahme, dass die geltend gemachten Ansprüche gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. mit Ablauf des Jahres 2004 verjährt seien, weil die Unkenntnis der Klägerin von den Anspruch begründenden Umständen auf grober Fahrlässigkeit beruhe. Vielmehr hatte die Verjährung deliktischer Ansprüche wegen fehlender Kenntnis der Klägerin i.S.v. § 852 BGB a.F. noch nicht begonnen.
Zu Unrecht hatte das OLG angenommen, dass grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin als subjektive Voraussetzung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor dem 1.1.2002 vorgelegen habe. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat. Dabei besteht für den Gläubiger keine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten. Daran hat sich auch durch die Neuregelung des Verjährungsrechts in § 199 BGB nichts geändert.
In Arzthaftungssachen ist bei der Prüfung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, außerdem zugunsten des Patienten zu berücksichtigen, dass dieser nicht ohne Weiteres aus einer Verletzungshandlung, die zu einem Schaden geführt hat, auf einen schuldhaften Behandlungs- oder Aufklärungsfehler zu schließen braucht. Deshalb führt allein der negative Ausgang einer Behandlung ohne weitere sich aufdrängende Anhaltspunkte für ein behandlungsfehlerhaftes Geschehen nicht dazu, dass der Patient zur Vermeidung der Verjährung seiner Ansprüche Initiative zur Aufklärung des Behandlungsgeschehens entfalten müsste.
Im vorliegenden Fall musste sich der Klägerin ein behandlungsfehlerhaftes Verhalten der Beklagten nach den Umständen des Falles bis zu dem Gespräch mit der Gynäkologin im Jahr 2006 nicht aufdrängen. Zwar litt die Klägerin nach eigenen Angaben seit der Entbindung unter erheblichen Beschwerden, deren operative Heilung von ihr mit Ärzten besprochen worden war. Eine schmerzhafte Narbenbildung kann aber ebenso wie ein bei der Entbindung eingetretener Dammriss schicksalhaft sein.
Tags: ärztefehler, behandlungsfehler, haftung, medizin
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Widerrufsbelehrung bei verbundenen Verträgen darf keine Missverständnisse hinsichtlich Vertragsbindung wecken
BGH 23.6.2009, XI ZR 156/08
Sind Verbraucherdarlehensvertrag und finanziertes Geschäft verbundene Verträge i.S.d. § 358 Abs. 3 BGB, darf die dem Verbraucher erteilte Widerrufsbelehrung einem rechtsunkundigen Leser nicht den falschen Eindruck vermitteln, mit einem Widerruf könne er sich ausschließlich von den Bindungen des finanzierten Geschäfts lösen, nicht aber von den Bindungen des Darlehensvertrags. Sie muss unmissverständlich klarstellen, dass durch einen wirksamen Widerruf des finanzierten Vertrags auch die Bindung des Verbrauchers an den Darlehensvertrag entfällt.
Der Sachverhalt:
Der Beklagte war im November 2003 von einem Vermittler geworben worden, sich über eine Treuhänderin wirtschaftlich an Immobilienfondsgesellschaft mit einem Anteil von 20.000 € zu beteiligen. Zur Finanzierung schloss der Beklagte - geworben durch denselben Vermittler - mit der klagenden Bank im Dezember 2003 einen Darlehensvertrag über einen Nettokreditbetrag von 21.000 €.
Dem Darlehensvertrag war eine vom Beklagten unterschriebene Widerrufsbelehrung beigefügt. In S. 1 wurde der Beklagte über sein Widerrufsrecht hinsichtlich des Verbraucherdarlehensvertrags belehrt und für diesen Fall durch S. 2 darüber unterrichtet, dass ein solcher Widerruf auf das finanzierte Geschäft durchgreift. Durch die ebenfalls bereits in S. 1 enthaltene Verweisung auf S. 3 und zusätzlich durch S. 3 selbst wurde dem Beklagten mitgeteilt, dass ihm ein Recht zum Widerruf des Darlehensvertrags nicht zusteht, wenn er den finanzierten Vertrag widerrufen kann, wobei ein dennoch erfolgter Widerruf gegenüber der Bank als Widerruf des verbundenen Vertrages gilt.
Am 9.8.2007 widerrief der Beklagte den Darlehensvertrag und die von ihm erteilte Einzugsermächtigung mit der Begründung, die Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft. Die Klägerin ist dem entgegen getreten und begehrte gerichtlich die Feststellung, dass der Darlehensvertrag wirksam ist. Die Klage blieb allerdings in allen Instanzen erfolglos.
Die Gründe:
Der Beklagte hatte seine Darlehensvertragserklärung wirksam widerrufen.
Dem Beklagten stand im Zeitpunkt der Widerrufserklärung gem. § 355 Abs. 3 S. 3 BGB noch ein Widerrufsrecht zu, da die von der Klägerin erteilte Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen des § 355 Abs. 2 S. 1, § 358 Abs. 5 BGB nicht entsprach. Die Klägerin hatte für die Belehrung kein Formular verwendet, das mit dem Muster gem. Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV übereinstimmte. Zwar entsprach die Belehrung über den Ausschluss des Widerrufsrechts in S.3 isoliert betrachtet dem Wortlaut der gesetzlichen Vorrangregelung des § 358 Abs. 2 S. 2 BGB. Sie war allerdings unvollständig.
Sind Verbraucherdarlehensvertrag und finanziertes Geschäft verbundene Verträge im Sinn des § 358 Abs. 3 BGB, darf die dem Verbraucher erteilte Widerrufsbelehrung einem unbefangenen rechtsunkundigen Leser nicht den unzutreffenden Eindruck vermitteln, mit einem Widerruf könne er sich ausschließlich von den Bindungen des finanzierten Geschäfts lösen, nicht aber von den Bindungen des Darlehensvertrags. Dieses Fehlverständnis legte die von der Klägerin verwendete Widerrufsbelehrung allerdings nahe. Sie belehrte den Verbraucher nicht unmissverständlich darüber, dass durch einen wirksamen Widerruf des finanzierten Vertrags auch die Bindung des Verbrauchers an den Darlehensvertrag entfällt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die von ihr erteilte Belehrung auch nicht etwa deswegen wirksam, weil § 358 Abs. 5 BGB eine "Pflichtenteilung" der Unternehmer in dem Sinne vorsehe, dass allein der Vertragspartner des Verbundgeschäfts über die Erstreckungswirkung des § 358 Abs. 1 BGB und der Darlehensgeber - wie geschehen über den Ausschluss des § 495 BGB zu belehren habe. Eine solche Pflichtenteilung ist mit dem Schutzzweck der gem. § 355 Abs. 2, § 358 Abs. 5 BGB qualifizierten Widerrufsbelehrung nicht zu vereinbaren.
Sind Verbraucherdarlehensvertrag und finanziertes Geschäft verbundene Verträge i.S.d. § 358 Abs. 3 BGB, darf die dem Verbraucher erteilte Widerrufsbelehrung einem rechtsunkundigen Leser nicht den falschen Eindruck vermitteln, mit einem Widerruf könne er sich ausschließlich von den Bindungen des finanzierten Geschäfts lösen, nicht aber von den Bindungen des Darlehensvertrags. Sie muss unmissverständlich klarstellen, dass durch einen wirksamen Widerruf des finanzierten Vertrags auch die Bindung des Verbrauchers an den Darlehensvertrag entfällt.
Der Sachverhalt:
Der Beklagte war im November 2003 von einem Vermittler geworben worden, sich über eine Treuhänderin wirtschaftlich an Immobilienfondsgesellschaft mit einem Anteil von 20.000 € zu beteiligen. Zur Finanzierung schloss der Beklagte - geworben durch denselben Vermittler - mit der klagenden Bank im Dezember 2003 einen Darlehensvertrag über einen Nettokreditbetrag von 21.000 €.
Dem Darlehensvertrag war eine vom Beklagten unterschriebene Widerrufsbelehrung beigefügt. In S. 1 wurde der Beklagte über sein Widerrufsrecht hinsichtlich des Verbraucherdarlehensvertrags belehrt und für diesen Fall durch S. 2 darüber unterrichtet, dass ein solcher Widerruf auf das finanzierte Geschäft durchgreift. Durch die ebenfalls bereits in S. 1 enthaltene Verweisung auf S. 3 und zusätzlich durch S. 3 selbst wurde dem Beklagten mitgeteilt, dass ihm ein Recht zum Widerruf des Darlehensvertrags nicht zusteht, wenn er den finanzierten Vertrag widerrufen kann, wobei ein dennoch erfolgter Widerruf gegenüber der Bank als Widerruf des verbundenen Vertrages gilt.
Am 9.8.2007 widerrief der Beklagte den Darlehensvertrag und die von ihm erteilte Einzugsermächtigung mit der Begründung, die Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft. Die Klägerin ist dem entgegen getreten und begehrte gerichtlich die Feststellung, dass der Darlehensvertrag wirksam ist. Die Klage blieb allerdings in allen Instanzen erfolglos.
Die Gründe:
Der Beklagte hatte seine Darlehensvertragserklärung wirksam widerrufen.
Dem Beklagten stand im Zeitpunkt der Widerrufserklärung gem. § 355 Abs. 3 S. 3 BGB noch ein Widerrufsrecht zu, da die von der Klägerin erteilte Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen des § 355 Abs. 2 S. 1, § 358 Abs. 5 BGB nicht entsprach. Die Klägerin hatte für die Belehrung kein Formular verwendet, das mit dem Muster gem. Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV übereinstimmte. Zwar entsprach die Belehrung über den Ausschluss des Widerrufsrechts in S.3 isoliert betrachtet dem Wortlaut der gesetzlichen Vorrangregelung des § 358 Abs. 2 S. 2 BGB. Sie war allerdings unvollständig.
Sind Verbraucherdarlehensvertrag und finanziertes Geschäft verbundene Verträge im Sinn des § 358 Abs. 3 BGB, darf die dem Verbraucher erteilte Widerrufsbelehrung einem unbefangenen rechtsunkundigen Leser nicht den unzutreffenden Eindruck vermitteln, mit einem Widerruf könne er sich ausschließlich von den Bindungen des finanzierten Geschäfts lösen, nicht aber von den Bindungen des Darlehensvertrags. Dieses Fehlverständnis legte die von der Klägerin verwendete Widerrufsbelehrung allerdings nahe. Sie belehrte den Verbraucher nicht unmissverständlich darüber, dass durch einen wirksamen Widerruf des finanzierten Vertrags auch die Bindung des Verbrauchers an den Darlehensvertrag entfällt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die von ihr erteilte Belehrung auch nicht etwa deswegen wirksam, weil § 358 Abs. 5 BGB eine "Pflichtenteilung" der Unternehmer in dem Sinne vorsehe, dass allein der Vertragspartner des Verbundgeschäfts über die Erstreckungswirkung des § 358 Abs. 1 BGB und der Darlehensgeber - wie geschehen über den Ausschluss des § 495 BGB zu belehren habe. Eine solche Pflichtenteilung ist mit dem Schutzzweck der gem. § 355 Abs. 2, § 358 Abs. 5 BGB qualifizierten Widerrufsbelehrung nicht zu vereinbaren.
Tags: agb, klausel, vertrag, vertragsklausel, widerruf, widerrufsbelehrung
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Garantievereinbarungen für Gebrauchtwagen werden durch Freigabeklauseln für Reparaturen in Fremdwerkstätten unzulässig eingeschränkt
Klauseln in Garantiebedingungen beim Gebrauchtwagenkauf, wonach der Käufer eine Genehmigung des Verkäufers benötigt, wenn er vorgeschriebene Wartungsarbeiten in einer anderen Werkstatt durchführen lassen möchte, sind unwirksam. Gleiches gilt für Klauseln, wonach der Garantiegeber zu Leistungen aus der Garantie erst nach durchgeführter Reparatur und Vorlage der Rechnung verpflichtet ist.
Der Sachverhalt:
Der Kläger erwarb von einer Autohändlerin einen zehn Jahre alten Pkw mit einer Fahrleistung von 88.384 km. Die Verkäuferin gewährte dabei auf bestimmte Bauteile eine Garantie, der die Beklagte beitrat. Die Garantiebedingungen erlegen dem Käufer umfangreiche Pflichten auf: U.a. muss er die vom Hersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs- oder Pflegearbeiten beim Garantiegeber durchführen; sofern dies z.B. aus Entfernungsgründen nicht zumutbar ist, hat er vor der Beauftragung einer anderen Werkstatt eine entsprechende Freigabe des Garantiegebers einzuholen. Nach § 6 der Garantiebedingungen hat der Käufer eine Reparaturrechnung vorzulegen, aus der die ausgeführten Arbeiten, die Ersatzteilpreise und die Lohnkosten mit Arbeitszeitwerten im Einzelnen ersichtlich sind.
Der Kläger ließ im Dezember 2006 die 100.000-km-Inspektion von einer anderen Reparaturwerkstatt durchführen. Dabei wurde ein Motorschaden festgestellt. Daraufhin verlangte der Kläger auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags von der Beklagten die Zahlung von 1.077 €. Die ist der Auffassung, sie sei von ihrer Leistungspflicht befreit, weil die 90.000-km-Inspektion nicht durchgeführt worden sei. Außerdem entstünden Ansprüche aus der Garantie erst mit Durchführung der Reparatur und Vorlage der Reparaturrechnung.
Das AG wies die Klage ab, das LG gab ihr i.H.v. 1.000 € - des Höchstbetrags der Garantie für Fahrzeuge dieses Alters - statt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch aus der übernommenen Garantie. Die Beklagte ist nicht deswegen von ihrer Zahlungspflicht befreit, weil der Kläger die vom Hersteller vorgesehene 90.000-km-Inspektion nicht hat durchführen lassen; denn die von ihr verwendete Inspektionsklausel ist wegen unangemessener Benachteiligung des Klägers gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
Dem Käufer/Garantienehmer ist es in vielen Fällen nicht zumutbar, das gekaufte Fahrzeug in der Werkstatt des Verkäufers/Garantiegebers warten zu lassen. Dem trägt die Klausel im Streitfall nicht angemessen Rechnung, weil sie dem Käufer insoweit lediglich die Möglichkeit einräumt, die Inspektion nach vorheriger Genehmigung ("Freigabe") des Verkäufers in einer anderen Werkstatt durchführen zu lassen, ohne dass hierfür ein Bedürfnis auf Seiten des Verkäufers ersichtlich ist.
Ebenfalls nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist § 6 der Garantiebedingungen in der von der Beklagten bevorzugten - kundenfeindlichsten - Auslegung, dass der Garantiegeber zu Leistungen aus der Garantie erst nach Vorlage der Reparaturrechnung verpflichtet ist. Durch eine derart verstandene Klausel würde der Käufer in mehrfacher Hinsicht unangemessen benachteiligt. Zum einen müsste er die Reparatur vorfinanzieren und könnte deshalb, soweit er dazu nicht in der Lage ist, vom Garantiegeber überhaupt keinen Ersatz erlangen. Ferner müsste er, um die Garantieleistung zu erhalten, unter Umständen eine Reparatur durchführen, die unwirtschaftlich ist, weil die Reparaturkosten den Höchstbetrag der Kostenerstattung gem. § 5 der Garantiebedingungen (hier: 1.000 €) oder sogar den Wert des Fahrzeugs deutlich übersteigen. Die in den Garantiebedingungen versprochene Funktionsgarantie für bestimmte Fahrzeugteile würde damit für den Käufer unter Umständen weitgehend wertlos.
BGH 14.10.2009, VIII ZR 354/08
Der Sachverhalt:
Der Kläger erwarb von einer Autohändlerin einen zehn Jahre alten Pkw mit einer Fahrleistung von 88.384 km. Die Verkäuferin gewährte dabei auf bestimmte Bauteile eine Garantie, der die Beklagte beitrat. Die Garantiebedingungen erlegen dem Käufer umfangreiche Pflichten auf: U.a. muss er die vom Hersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs- oder Pflegearbeiten beim Garantiegeber durchführen; sofern dies z.B. aus Entfernungsgründen nicht zumutbar ist, hat er vor der Beauftragung einer anderen Werkstatt eine entsprechende Freigabe des Garantiegebers einzuholen. Nach § 6 der Garantiebedingungen hat der Käufer eine Reparaturrechnung vorzulegen, aus der die ausgeführten Arbeiten, die Ersatzteilpreise und die Lohnkosten mit Arbeitszeitwerten im Einzelnen ersichtlich sind.
Der Kläger ließ im Dezember 2006 die 100.000-km-Inspektion von einer anderen Reparaturwerkstatt durchführen. Dabei wurde ein Motorschaden festgestellt. Daraufhin verlangte der Kläger auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags von der Beklagten die Zahlung von 1.077 €. Die ist der Auffassung, sie sei von ihrer Leistungspflicht befreit, weil die 90.000-km-Inspektion nicht durchgeführt worden sei. Außerdem entstünden Ansprüche aus der Garantie erst mit Durchführung der Reparatur und Vorlage der Reparaturrechnung.
Das AG wies die Klage ab, das LG gab ihr i.H.v. 1.000 € - des Höchstbetrags der Garantie für Fahrzeuge dieses Alters - statt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch aus der übernommenen Garantie. Die Beklagte ist nicht deswegen von ihrer Zahlungspflicht befreit, weil der Kläger die vom Hersteller vorgesehene 90.000-km-Inspektion nicht hat durchführen lassen; denn die von ihr verwendete Inspektionsklausel ist wegen unangemessener Benachteiligung des Klägers gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
Dem Käufer/Garantienehmer ist es in vielen Fällen nicht zumutbar, das gekaufte Fahrzeug in der Werkstatt des Verkäufers/Garantiegebers warten zu lassen. Dem trägt die Klausel im Streitfall nicht angemessen Rechnung, weil sie dem Käufer insoweit lediglich die Möglichkeit einräumt, die Inspektion nach vorheriger Genehmigung ("Freigabe") des Verkäufers in einer anderen Werkstatt durchführen zu lassen, ohne dass hierfür ein Bedürfnis auf Seiten des Verkäufers ersichtlich ist.
Ebenfalls nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist § 6 der Garantiebedingungen in der von der Beklagten bevorzugten - kundenfeindlichsten - Auslegung, dass der Garantiegeber zu Leistungen aus der Garantie erst nach Vorlage der Reparaturrechnung verpflichtet ist. Durch eine derart verstandene Klausel würde der Käufer in mehrfacher Hinsicht unangemessen benachteiligt. Zum einen müsste er die Reparatur vorfinanzieren und könnte deshalb, soweit er dazu nicht in der Lage ist, vom Garantiegeber überhaupt keinen Ersatz erlangen. Ferner müsste er, um die Garantieleistung zu erhalten, unter Umständen eine Reparatur durchführen, die unwirtschaftlich ist, weil die Reparaturkosten den Höchstbetrag der Kostenerstattung gem. § 5 der Garantiebedingungen (hier: 1.000 €) oder sogar den Wert des Fahrzeugs deutlich übersteigen. Die in den Garantiebedingungen versprochene Funktionsgarantie für bestimmte Fahrzeugteile würde damit für den Käufer unter Umständen weitgehend wertlos.
BGH 14.10.2009, VIII ZR 354/08
Tags: Garantie, Klausel, Reparatur
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Author: Zungenkoeder
Main topic: Jura
Topic: Zivilrecht
Published: 19.03.2010
Tags: Zivilrecht, Zivilrechturteile
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