Wärmedämmung einer Hauswand über die Grundstücksgrenze hinaus muss vom Nachbarn nicht hingenommen werden
Wer im Bereich der Grundstücksgrenze baut und sich nicht - ggf. durch Hinzuziehung eines Vermessungsingenieurs - darüber vergewissert, ob der für die Bebauung vorgesehene Grund auch ihm gehört und er die Grenzen seines Grundstücks nicht überschreitet, handelt gegebenenfalls grob fahrlässig. Demjenigen muss bewusst sein, dass außen an der Grenzwand anzubringende Dämmplatten zwingend in das Grundstück des Nachbarn hineinragen werden.
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Nachbarn. Das Haus des Beklagten ist bis an die Grundstücksgrenze zum benachbarten Kläger gebaut. Auf dessen Grundstück führt eine rd. 4,50 bis 5,00 m breite Grundstückseinfahrt an der Grenze entlang.
Im Frühjahr 2009 ließ der Beklagte ohne Genehmigung des Klägers auf dessen Grundstück in der Einfahrt an seiner Fassade ein Gerüst aufstellen, um dringende Instandsetzungsmaßnahmen am Giebel vorzunehmen. Der Kläger genehmigte dies nachträglich. Mitte Mai musste er jedoch feststellen, dass der Beklagte begonnen hatte, auf der Außenwand seines Gebäudes eine ca. 12 cm starke Isolierung aufzubringen, die nach dem Aufbringen des Putzes mit einer Gesamtdicke von 15 cm in sein Grundstück hineinragen und die Einfahrt verengen würde. Die beabsichtigte Dämmschicht sollte eine Fassadenfläche von ca. 253 qm bedecken.
Nachdem der Kläger den Dämmmaßnahmen erfolglos widersprochen hatte, erwirkte er beim LG den Erlass einer einstweiligen Verfügung, wonach es der Beklagte zu unterlassen hatte, auf der Außenfassade eine in das Grundstück des Klägers hineinragende Außenisolierung anzubringen. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Beklagten blieb vor dem OLG ohne Erfolg. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Unterlassungsanspruch. Er muss die in sein Grundstück hineinragende Isolierungsmaßnahme nicht als Überbau gem. § 912 Abs. 1 BGB dulden.
Nach § 912 BGB hat ein Nachbar den Überbau zu dulden, wenn der Eigentümer des Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut hat, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, wenn er nicht vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat. Im Streitfall hat der Beklagte jedoch grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt; denn wer im Bereich der Grundstücksgrenze baut und sich nicht gegebenenfalls durch Hinzuziehung eines Vermessungsingenieurs darüber vergewissert, ob der für die Bebauung vorgesehene Grund auch ihm gehört und er die Grenzen seines Grundstücks nicht überschreitet, handelt gegebenenfalls grob fahrlässig. Dem Beklagten war bewusst, dass sein Gebäude unmittelbar an der Grundstücksgrenze steht und dass die Dämmplatten zwingend in das Grundstück des Klägers hineinragen würden. Darüber hinaus hat dieser sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben.
Eine Duldungspflicht ergibt sich auch nicht aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis. Sowohl der Bundes- als auch der Landesgesetzgeber haben entsprechende Überbauregelungen getroffen, die in der Wertung übereinstimmen, dass nur ausnahmsweise von einem Eigentümer ein Eingriff in sein Eigentum hinzunehmen ist. Deshalb führen allein das grundsätzliche Interesse des Eigentümers oder das Gemeinwohlinteresse an einer verbesserten Wärmedämmung als energetische Maßnahme nicht zu einer Duldungspflicht. Andere besondere Umstände sind im Streitfall nicht vorgetragen. Es ist nicht geltend gemacht, dass die Wärmedämmung zwingend vorgenommen werden muss oder dass sie aus technischen Gründen nur außen an der Fassade erfolgen kann.
OLG Karlsruhe 9.12.2009, 6 U 121/09
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Nachbarn. Das Haus des Beklagten ist bis an die Grundstücksgrenze zum benachbarten Kläger gebaut. Auf dessen Grundstück führt eine rd. 4,50 bis 5,00 m breite Grundstückseinfahrt an der Grenze entlang.
Im Frühjahr 2009 ließ der Beklagte ohne Genehmigung des Klägers auf dessen Grundstück in der Einfahrt an seiner Fassade ein Gerüst aufstellen, um dringende Instandsetzungsmaßnahmen am Giebel vorzunehmen. Der Kläger genehmigte dies nachträglich. Mitte Mai musste er jedoch feststellen, dass der Beklagte begonnen hatte, auf der Außenwand seines Gebäudes eine ca. 12 cm starke Isolierung aufzubringen, die nach dem Aufbringen des Putzes mit einer Gesamtdicke von 15 cm in sein Grundstück hineinragen und die Einfahrt verengen würde. Die beabsichtigte Dämmschicht sollte eine Fassadenfläche von ca. 253 qm bedecken.
Nachdem der Kläger den Dämmmaßnahmen erfolglos widersprochen hatte, erwirkte er beim LG den Erlass einer einstweiligen Verfügung, wonach es der Beklagte zu unterlassen hatte, auf der Außenfassade eine in das Grundstück des Klägers hineinragende Außenisolierung anzubringen. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Beklagten blieb vor dem OLG ohne Erfolg. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Unterlassungsanspruch. Er muss die in sein Grundstück hineinragende Isolierungsmaßnahme nicht als Überbau gem. § 912 Abs. 1 BGB dulden.
Nach § 912 BGB hat ein Nachbar den Überbau zu dulden, wenn der Eigentümer des Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut hat, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, wenn er nicht vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat. Im Streitfall hat der Beklagte jedoch grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt; denn wer im Bereich der Grundstücksgrenze baut und sich nicht gegebenenfalls durch Hinzuziehung eines Vermessungsingenieurs darüber vergewissert, ob der für die Bebauung vorgesehene Grund auch ihm gehört und er die Grenzen seines Grundstücks nicht überschreitet, handelt gegebenenfalls grob fahrlässig. Dem Beklagten war bewusst, dass sein Gebäude unmittelbar an der Grundstücksgrenze steht und dass die Dämmplatten zwingend in das Grundstück des Klägers hineinragen würden. Darüber hinaus hat dieser sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben.
Eine Duldungspflicht ergibt sich auch nicht aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis. Sowohl der Bundes- als auch der Landesgesetzgeber haben entsprechende Überbauregelungen getroffen, die in der Wertung übereinstimmen, dass nur ausnahmsweise von einem Eigentümer ein Eingriff in sein Eigentum hinzunehmen ist. Deshalb führen allein das grundsätzliche Interesse des Eigentümers oder das Gemeinwohlinteresse an einer verbesserten Wärmedämmung als energetische Maßnahme nicht zu einer Duldungspflicht. Andere besondere Umstände sind im Streitfall nicht vorgetragen. Es ist nicht geltend gemacht, dass die Wärmedämmung zwingend vorgenommen werden muss oder dass sie aus technischen Gründen nur außen an der Fassade erfolgen kann.
OLG Karlsruhe 9.12.2009, 6 U 121/09
Tags: instandhaltung, instandsetzung, renovieren, renovierung, sanieren, sanierung
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Author: Zungenkoeder
Main topic: Jura
Topic: Mietrecht
Published: 19.03.2010
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