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Alle Oberthemen / Psychologie / Differentielle Psychologie

VO Persönlichkeits- und differentielle Psychologie (220 Karten)

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Was sind die Kennzeichen und Grundlagen der kognitiven Persönlichkeitskonstrukte?
Kennzeichen: Persönlichkeit wird als informationsverarbeitendes dynamisches System verstanden.

  • Klassische Forschungsbereiche: Wahrnehmung, Gedächtnis, Sprache, Denken.
  • Anlass: Die Unzulänglichkeiten der mechanistischen S‐R‐Theorien - „Kognitive Wende“.
  • Persönlichkeitsmerkmale werden hier also als die individuumspezifische, stabile und situationsübergreifend wirksame bzw. bevorzugte Art der Informationsverarbeitung verstanden (z.B. Denktypen, Denkstile, kognitive Strategien).
  • Theoretischen Anspruch, der nicht oder kaum realisiert ist: Verschiedene kognitive Konstrukte sollen zu „Struktursystemen“ zusammengefasst werden, die schließlich „Persönlichkeit“ ausmachen.
  • Beim kognitiven Ansatz stehen die formalen Besonderheiten und interindividuellen Varianten der Informationsverarbeitung im Vordergrund, während beim allgemeinpsychologischen Zugang inhaltliche Aspekte (was oder wie viel wird verarbeitet) untersucht werden.
Tags: Informationsverarbeitung, kognitive Persönlichkeitskonstrukte, Persönlichkeit
Quelle: S129
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Was versteht man unter Feldabhängigkeit/Feldunabhängigkeit?
Konstrukt geht auf Witkin et al. (1954) zurück; bereits bis Mitte der 70er Jahre lagen ca. 2000 einschlägige Publikationen vor. Das Konstrukt hat im Laufe seiner Erforschung bedeutsame inhaltliche Änderungen erfahren, wesentlichen Entwicklungsschritte waren:
  1. Ursprünglich wurde unter Feld(un)abhängigkeit die relative Bedeutung einander widersprechender vestibulärer und visueller Sinneseindrücke beim Versuch, die Senkrechte
  2. im Raum herzustellen, verstanden.Etwa folgende Testanordnung (RFT: „Rod and Frame Test“, vgl. Abb.) wurde zur Messung eingesetzt: In einem verdunkelten Raum sollte ein schräggestellter Leuchtstab, der sich in einem gekippten quadratischen Leuchtrahmen befindet, von den Tpn, die zusätzlich in einem seitlich gekippten Stuhl sitzen, senkrecht gestellt werden.Feldabhängigkeit war definiert als: Relative Dominanz visueller Sinneseindrücke gegenüber vestibulären (den Gleichgewichtssinn betreffenden); Feldunabhängigen Personen gelang es leichter, den Stab in die Senkrechte zu bringen.
  3. Erweiterung auf höhere kognitive Leistungen: Fähigkeit, einfache Figuren in komplexen Reizvorlagen zu identifizieren.
  4. Testmaterial: Embedded Figures Test (EFT) – gemessen wurde die Bearbeitungszeit für eine Aufgabenserie.Die Berechtigung dazu wurde aus Korrelationen zwischen EFT und RFT (od. ähnlichen Raumorientierungstests) in Höhe von ca. 0.21 bis 0.66 abgeleitet (Tests laden auch gemeinsam in einem Faktor).Aus der Addition von Maßen von Raumorientierungstests und EFT wurde ein „Perceptual Index“ (PI) gebildet, der nun für Feldabhängigkeit steht und als Ausdruck eines kognitiven Stils (Pole: differenziert bis global) interpretiert wird.Differenzierung: Kontrolle von Impulsen; Separierung von Fühlen, Wahrnehmen, Denken, Handeln usw.
  5. Neuerliche Ausweitung des Begriffs durch Goodenough (1978):
  6. Feldunabhängigkeit bedeutet das Ausmaß, in dem Individuen unabhängig (autonom) von der sie umgebenden Welt „funktionieren“, d.h. agieren od. reagieren.Feldunabhängige besitzen „internal frames of reference“ (internale Bezugssysteme), die sie zur Verarbeitung einlaufender Informationen verwenden;Feldabhängige sind orientiert an „external frames of reference“ und daher weniger „aktiv“ in der Verarbeitung einlaufender Informationen. Diese Bedeutungserweiterung wurde aus Begleituntersuchungen abgeleitet:Feldabhängige tendieren mehr als Feldunabhängige …- zu undifferenzierten Abwehrmechanismen,- dazu, Aggressionen direkt und unkontrolliert auszudrücken,- zu intuitiven, nicht‐hypothesentestenden Methoden,- zu eher rücksichtslosem Fahrverhalten (erhöhte Unfallhäufigkeit),- zu anderer Studien‐ und Berufswahl:Feldabhängige: Sozialarbeit; Grundschullehrer; Klinische Psychologie etc.Feldunabhängige: Physik; Mathematik; Kunst; Architektur; Ingenieurswiss.; Experimentelle Psychologie etc.
Tags: Feldabhängigkeit, kognitive Persönlichkeitskonstrukte, Witkin
Quelle: S130
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Inwiefern unterscheiden sich feldabhängige von feldunabhängigen Personen (Konstrukt durch Goodenough (1978)?
Feldabhängige tendieren mehr als Feldunabhängige …
  • zu undifferenzierten Abwehrmechanismen,
  • dazu, Aggressionen direkt und unkontrolliert auszudrücken,
  • zu intuitiven, nicht‐hypothesentestenden Methoden,
  • zu eher rücksichtslosem Fahrverhalten (erhöhte Unfallhäufigkeit),
  • zu anderer Studien‐ und Berufswahl:
  • - Feldabhängige: Sozialarbeit; Grundschullehrer; Klinische Psychologie etc.- Feldunabhängige: Physik; Mathematik; Kunst; Architektur; Ingenieurswiss.; Experimentelle Psychologie etc.
Tags: Felabhängigkeit, kognitive Persönlichkeitskonstrukte, Persönlichkeit
Quelle: S131
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Was ist die Kritik am Konstrukt Feldabhängigkeit bzw. ‐unabhängigkeit?
  • Handelt es sich wirklich um einen kognitiven Stil (= dynamischer Funktionsfaktor, der Auskunft über bestimmte kognitiv‐perzeptive Prozesse gibt)?
  • Oder gibt das Konstrukt eher Auskunft über Eigenschaften der Person bzw. Leistungsfähigkeit?
  • Die Abgrenzung zu bekannten Persönlichkeitskonstrukten (z.B. Intelligenz) ist zweifelhaft; unverständlich ist, dass die Schule um Witkin sich nicht um experimentelle oder statistische Kontrolle von „g“ oder anderen Intelligenzmaßen bemühte.
  • Feldabhängigkeit ist eventuell keine neue Persönlichkeitsdimension, da eventuell bloß neue Operationalisierungen für eine bekannte Verhaltensdimension vorliegen: Thurstones Raumfaktor „Flexibility of Closure“.
  • Konstrukt der Differenzierung ist zu vage, um die Grenzen seiner Anwendung festzulegen; Theorie ist somit (teilweise) nicht falsifizierbar.
Tags: Feldabhängigkeit, kognitive Persönlichkeitskonstrukte, Kritik
Quelle: S131
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Was versteht man unter den Konstrukten Reflexivität und Impulsivität? (Operationalisierung, Interpretation, Probleme)
R‐I: Dimension: Konsistente Tendenz (eines Kindes), in Problemsituationen mit hoher Antwortsicherheit langsame oder schnelle Entscheidungen aufzuweisen.

Operationalisierung: Matching Familiar Figures Test (MFF‐T; vgl. Abb.)
Aufgabenstellung: Möglichst rasch Figur finden, die dem Standardreiz in allen Einzelheiten gleicht.
Gemessen: Gesamtlösungszeit und Fehlerzahlen.

Interpretation: Einteilung in 4‐Felder‐Schema, aber
nur 2‐Felder werden klassifiziert:
  • reaktionsschnell u. fehlerreich = impulsiv
  • langsam u. fehlerarm = reflexiv

Probleme:
  • Informationsverlust durch typologische Betrachtung eines dimensionalen Konzepts (Berücksichtigung von nur ca. 1/3 der Tpn);
  • extreme Stichprobenabhängigkeit der Klassifikation;
  • Konstrukt primär an Kindern entwickelt.
  • Ergebnis: Reflexivität korreliert positiv mit Feldunabhängigkeit und (sprachfreier) Intelligenz.
  • Kritik(Tidemann, 1983): MFF‐T ist keine Operationalisierung eines kogn. Stils (Präferenzkonzept), sondern ein klass. Leistungstest (Fähigkeitskonzept); endgültige Bewertung steht noch aus.
Tags: Kagan, kognitive Persönlichkeitskonstrukte, Reflexivität
Quelle: S132
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Wer ist George A. Kelly? Wie und wo arbeitete er?
George A. Kelly (1905‐1966): Wuchs in Kansas auf, studierte an mehreren Universitäten und erwarb das Doktorat an der Universität von Iowa.

Er entwickelte eine mobile psychologische Beratungsstelle in Kansas, war im 2. Weltkrieg Psychologe bei der Luftwaffe und lehrte später als Professor für Psychologie an der Ohio State University und an der Brandeis University.

Beispiel für seine klinische Arbeitsweise: Wenn ein Lehrer sich über die Faulheit eines Schülers in der Beratungsstelle
beklagte, dann versuchte Kelly die Verhaltensweisen des Kindes und das „Konstruktsystem“ des Lehrers zu verstehen,
die zusammen zum Vorwurf der Faulheit führten (= Neuformulierung des Problems).
-  Analyse des Lehrers und Schülers - Problemlösung.

Kelly vertritt die Ansicht, dass es keine objektive Realität oder absolute Wahrheit gibt.
Jeder Mensch ist quasi Wissenschaftler, indem er – ausgehend von Ereignissen im sozialen Umfeld – Abstraktionen bildet (Konstrukte: Interpretationen bzw. Hypothesen über konkrete Ereignisse und Situationen), die als Ordnungsinstrument und als Prädiktoren für zukünftiges Geschehen dienen.
Tags: Kelly, kognitive Persönlichkeitskonstrukte
Quelle: S132
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Was ist die kognitive Persönlichkeitskonstrukttheorie von Kelly? (Grundlagen, Messung, therapeutischer Ansatz)
Kellys Theorie handelt also von den Bildern, die verschiedene Individuen von der Welt – insbesondere von ihrer menschlichen Mitwelt – und von sich selbst entwerfen.
  • Bildung von Konstrukten: Zumindest drei Elemente notwendig, von denen zwei als ähnlich miteinander wahrgenommen werden müssen und das dritte als verschieden von den beiden anderen.
  • Anhand dieser individualtypischen „Konstrukte“ werden sowohl die eingetretenen Ereignisse auf ihre Stimmigkeit als auch die Konstrukte selbst auf ihre Brauchbarkeit hin überprüft, nötigenfalls modifiziert.
  • Jeder Mensch ist also einerseits frei (in der Entwicklung des Konstruktsystems), andererseits determiniert (gebunden an die Handlungsbeschränkungen seiner Konstrukte).
  • Kelly: „Ohne die Welt individuell zu konstruieren, wäre das Leben chaotisch“.
  • Es gibt Kernkonstrukte, die grundlegend für das Funktionieren eines Menschen sind und periphere Konstrukte, die ohne ernsthafte Modifizierung der Kernkonstrukte geändert werden können.
  • Kognitive Komplexität: Eine Person ist kognitiv um so „komplexer“, je mehr persönliche Konstrukte sie zur Kategorisierung und Unterscheidung ihrer sozialen Umwelt benützt.

Messmethode:
„Role Construct Repertory‐Test“ (REP‐Test): Der REP‐Test gibt Antwort auf die Frage nach der Komplexität der individuellen Beurteilungssysteme. Die Testprozedur ist nach  Vorbild von Begriffsbildungsexperimenten gestaltet.
Durchführung des REP‐Tests:
- Zunächst bekommt die Tp eine Liste mit ca. 20‐30 „Rollen“ vorgelegt, die für (fast) alleMenschen große Bedeutung haben (z.B. Mutter, Vater, beliebter/unbeliebter Lehrer, Chef, ethisch hochstehende Person, Freund/in usw.)
- Zu jeder Rolle wird nun von der Tp eine konkrete Person benannt, danach gibt der Testleiter Variante 1 od. 2 des REP‐Tests vor.
2 Varianten des Tests:
Wichtig: Tp soll an ganz konkrete Menschen denken.
  • Variante 1 (List‐Form): Testleiter gibt Tripel der Personen vor, zu denen die Tp ein individuelles Konstrukt nach dem Prinzip von Ähnlichkeit und Kontrast bilden muss.
  • Variante 2 (Grid‐Form): die Rollen und die benannten Personen werden in einem „Gitternetz“ dargestellt. Die Tp muss ein Konstrukt finden, das zwei Personen zukommt („Punkt“) und der dritten nicht („leerer Punkt“). Das Personentripel ist durch den Testleiter festgelegt.
  • - Danach soll die Tp auch noch alle anderen Personen bzw. Rollen danach beurteilen („x“), ob sie dem Ähnlichkeitspol des gebildeten Konstrukts entsprechen.

Analyse der REP‐Testdaten (auf unterschiedliche Weise möglich):
  • Inhalt und Zahl der produzierten Konstrukte erlauben Rückschlüsse auf die kognitive Struktur und die wichtigsten Kategorien der Wahrnehmungsorganisation;
  • Anzahl unabhängiger Konstrukte (wer herrschsüchtig ist, ist zumeist auch tat kräftig jedoch nicht verträumt) - kognitive Komplexität;
  • Vergleich von „Personen“ (z.B. Selbst‐Wunschbild) etc.
  • Interpretation von Inhalten; Kelly war primär an Inhalten interessiert, da er psychische Störungen als Folge überdauernder Anwendung invalider Konstrukte interpretierte (Intervention).

Therapeutischer Ansatz:
  • was z.B. das Konstrukt Faulheit für einen Menschen bedeutet wissen wir erst, wenn wir die Gegebenheiten kennen, die das Konstrukt mit einschließt und welche als gegensätzlich angesehen werden.
  • Ein häufiges Problem z.B. zwischen Partner ist die (Über‐)Betonung des Konstrukts „schuldig‐unschuldig“.
Tags: Kelly, kognitive Persönlichkeitskonstrukte, Persönlichkeitskonstrukttheorie
Quelle: S133
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Was sind Befunde zur Persönlichkeitskonstrukttheorie von Kelly?
Positive Befunde:
  • Delinquente Jugendliche weisen stärkere Ausprägung in sozial‐abweichenden Komponenten ihrer Konstruktsysteme auf als Vergleichsgruppe (Heather, 1979);
  • „Komplexe“ Menschen können besser das Verhalten ihnen bekannter Personen vorhersagen; auch sind sie eher imstande, ihre eigene Persönlichkeit und deren Unterschiede zu anderen herauszuarbeiten (Bieri et al., 1966).
  • Eltern von kognitiv‐komplexen Kindern gewähren mehr Autonomie und sind weniger autoritär (Cross, 1966).

Negative Befunde
  • Eltern von kognitiv‐komplexen Kindern gewähren mehr Autonomie und sind weniger autoritär (Cross, 1966).
  • Null‐Korrelationen mit Reflexivität/Impulsivität (Köstlin‐Gloger & Rottmair, 1979).

Schlussbemerkung: Theorie war enorm forschungsanregend, heute ist es still geworden.
Tags: Kelly, kognitive Persönlichkeitskonstrukte, Persönlichkeitskonstrukttheorie
Quelle: S135
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Was sind Stärken und Schwächen der Persönlichkeitskonstrukttheorie von Kelly?
Stärken der Theorie
  • Betonung des kognitiven Prozesses als zentralen Aspekt der Persönlichkeit
  • Versucht sowohl die Ganzheit des Individuums (individuelles Konstruktsystem) als auch die Gesetzmäßigkeiten, nach denen Persönlichkeit im Allgemeinen "funktioniert", innerhalb einer Theorie abzudecken.
  • Beinhaltet eine flexible, theoriebezogene Technik zur Personeneinschätzung und -erforschung (REP-Test).

Schwächen der Theorie
  • Lässt wichtige Aspekte (Entwicklung, Emotionen, Motivation) der Persönlichkeit unberücksichtigt oder gibt dazu nur einen minimalen Beitrag.
  • Operationalisierung trotz REP-Tests problematisch, weil eigentlich keine standardisierte "Messung" der indivudellen Konstrukte vorliegt (Was sind die eigentlichen Testscores? Wie sind sie zu interpretieren?)
  • Kognitive Komplexität ist bisher nicht mit einem allgemeinen Forschungs- und Theorieansatz innterhalb der Kognitiven Psychologie verbunden.
  • Hat nicht zu Ergebnissen geführt, die die Theorie "verbreitern" (seit 1955 keine neuen theoretischen Entwicklungen in der Persönlichkeits-Konstrukttheorie)
Tags: Kelly, kognitive Persönlichkeitskonstrukte, Persönlichkeitskonstrukttheorie
Quelle: S135
Kartensatzinfo:
Autor: coster
Oberthema: Psychologie
Thema: Differentielle Psychologie
Schule / Uni: Universität Wien
Ort: Wien
Veröffentlicht: 08.05.2013
Tags: WS2012/13, Georg Gittler
 
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